Jede einzelne Kindergruppe ist ein eigenständiger gemeinnütziger Verein.
Von den herkömmlichen Betreuungseinrichtungen unterscheiden sich die Kindergruppen hauptsächlich durch die kleine Gruppengröße (max. 14 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren – meist von zwei Betreuer/inne/n gleichzeitig betreut) und durch die Mitarbeit und Mitgestaltungsmöglichkeit der Eltern. Die Eltern bilden den Vereinsvorstand, sind für die Finanzen zuständig, putzen, kochen, renovieren und beteiligen sich auch an der direkten Arbeit mit den Kindern.
In pädagogischer Hinsicht bieten die elternverwalteten Kindergruppen eine alternative, nicht-direktive Kindeserziehung, genauer definiert durch das Manifest der Erwachsenen in selbstorganisierten Kindergruppen (PDF), sowie durch Rebeca Wilds „Grenzen für Erwachsene“ (siehe Literaturliste am Ende dieser Seite.)
Im „Manifest der Erwachsenen in selbstorganisierten Kindergruppen“ heißt es:
„Jede einzelne Gruppe hat ein pädagogisches Konzept, welches sich von den bisher üblichen pädagogischen Sichtweisen dadurch abhebt, dass es nicht über das Kind verfügen will, sondern dem Kind die Möglichkeit bietet, sich selbstbestimmt weiterzuentwickeln, sich zu erweitern.
Es sieht das Kind als aktives, kreatives Wesen mit vielfältigen sozialen Bindungs- und Gruppenbildungsfähigkeiten. Die Kindergruppen beschränken sich auf eine überschaubare Größe […] Dadurch kann eine möglichst große Spielfreiheit geschaffen werden, die Kinder können sich geborgen fühlen und genügend Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen und sie können eine intensive Beziehung zueinander aufbauen.
Die kleinen Gruppen ermöglichen es den Kindern auch, möglichst weitgehend Verantwortung für ihr Tun in der Gruppe zu übernehmen. Im Gegensatz zum Kindergarten ist der Tagesablauf in Kindergruppen wenig strukturiert, die Kinder entscheiden selbst, womit sie sich beschäftigen und auseinandersetzen wollen. Voraussetzung dafür ist, dass es vielfältige Materialien und Anregungen gibt, aus denen die Kinder wählen können. Jedes einzelne Kind muss von den Betreuungspersonen individuell beachtet und gefördert werden. Auch die sozialen Beziehungen und Konflikte sollen die Kinder möglichst weitgehend selbst gestalten, Verhaltensregeln erarbeiten oder sie verändern, wenn sie sich nicht bewähren. So wie auf der Erwachsenenebene keine hierarchische Ordnung, sondern gleichberechtigte Partnerschaft herrscht, so ist auch das Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern in der Gruppe gleichberechtigt, das heißt, Diskussion und Erfahrung bestimmt. Jedes Kind wird als eigenständige Persönlichkeit beachtet, seine Individualität und seine Kreativität gefördert.“
Kindergruppen-Betreuer/innen haben eine staatlich anerkannte Ausbildung. Sie reflektieren und bearbeiten ihre Tätigkeit in Supervisionssitzungen. Aber nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen, also die Betreuer/innen und die Eltern sind aufgefordert, in Kindergruppen von und mit den Kindern zu lernen. Rebeca Wild schreibt in „Grenzen für die Erwachsenen“ dazu:
„Doch es besteht die Möglichkeit, zwischen Disziplin und Laisser-Faire jeden kleinen Lernschritt der Kinder auch für uns zu nutzen, mit ihnen ein Netz von vielen kleinen Erfahrungen zu knüpfen, das nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns ein neues Verständnis reifen lässt. So, wie Kinder sich verändern und bereit sind, aus jeder Situation zu lernen, können auch wir nach und nach ein tieferes Verständnis für Lebensprozesse entwickeln. Auch wir können den Weg aus natürlicher Egozentrik zu Kooperation finden, wenn wir gerade in den „unwichtigen“ Momenten, aus denen unser Leben mit Kindern ja hauptsächlich besteht, gegenwärtig sind und verschiedenste Zusammenhänge neu wahrnehmen und wie Kinder „kleine“ Entscheidungen treffen.“
Eine besondere Aufgabe für Eltern und Betreuer/innen in Kindergruppen ist die Zusammenarbeit der Erwachsenen. Dazu steht im „Manifest der Erwachsenen in selbstorganisierten Kindergruppen“:
„Die Selbstorganisation und die partnerschaftliche Zusammenarbeit der Erwachsenen sollen in den Kindergruppen einen Nährboden bilden, woraus Vertrauen und dadurch ein lustvolles Arbeiten mit den Kindern möglich wird. Weder Eltern, BetreuerInnen noch Kinder haben sich dem Projekt unterzuordnen, denn dies käme einer Missachtung der Betroffenen gleich und es ist zu bezweifeln, dass Kinder inmitten der daraus entstehenden Spannungen Selbstachtung lernen können. Wir müssen erkennen, dass eine gemeinsame inhaltliche Basis und die konstruktive Zusammenarbeit der Erwachsenen eine zentrale Frage für die Weiterentwicklung der Kindergruppen ist; kein Teil kann auf Kosten des anderen seine Bedürfnisse befriedigen, dies kann nur zu Lasten der Kinder gehen. Immer mehr treten dann starre Regelungen, Verordnungen oder die Frage der Haftung in den Vordergrund.“
Weiters heißt es im Kindergruppenmanifest zu den Grundvoraussetzungen für eine gemeinsame Arbeit in Kindergruppen:
– „dass sich die Eltern als Träger des Projekts begreifen und ihre Mitarbeit und Unterstützung der gesamten Kindergruppe zu Verfügung stellen
– dass es einen partnerschaftlichen Umgang miteinander gibt, d. h. kein herkömmliches Dienstgeber/Dienstnehmer-Klima, keine Leiterin/Helferin-Hierarchie etc.
– dass regelmäßig (monatlich) ein Elternabend stattfindet, auf dem alle organisatorischen und inhaltlichen Probleme besprochen werden, wodurch Eltern und BetreuerInnen gemeinsam die Verantwortung für die Belange der Kindergruppe übernehmen.
– Gegenseitiger Respekt und gemeinsame Entscheidungsprozesse bieten eine tragfähige Basis, vor allem aber die Möglichkeit, Probleme anzusprechen, sich über die eigenen Ängste und Zweifel klar zu werden hilft uns offener und authentischer dem Kind als Beziehungsperson gegenüber zu sein.“
Buchempfehlungen:
Reichel, Gusti: „Lebendig statt brav“. Münster, Ökotopia Verlag, 1988. (Nicht mehr im Handel erhältlich, aber in der Bücherei am Urban-Loritz-Platz auszuborgen!)
Rebeca Wild: „Freiheit und Grenzen, Liebe und Respekt. Was Kinder von uns brauchen“. Schönau, Arbor Verlag, 1998.
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